Unsere Tochter war etwas mehr als 3 Jahre alt, als mein Mann und ich vor Ostern eine grandiose Idee hatten: Wir würden mit ihr so richtig eintauchen in die Ostergeschichte. Wir nahmen uns vor, ihr jeden Abend vor dem Zubettgehen einen Teil der Geschehnisse aus unserer Lieblings-Kinderbibel zu erzählen. Jeden Tag nur das Ereignis, das sich damals vor über 2000 Jahren zugetragen hat. Start war am Palmsonntag. Wir wollten Ostern so nahbar wie möglich gestalten. Einen Spannungsbogen aufbauen.
Die ersten Tage glückte unser Vorhaben wunderbar. Unsere Tochter war voll mit dabei und freute sich jeweils auf die Geschichte vom nächsten Abend. Es war spannend, sich mit ihr in all die Menschen hineinzuversetzen und Tag für Tag mitzuerleben. Gemeinsam zu überlegen, wie sich die Menschen damals wohl gefühlt haben. Was sie bewegt hat.
Dann kam der Karfreitag.
Der Tod von Jesus.
Ich klappte die Kinderbibel nach der Geschichte zu und meine Tochter schaute mich mit grossen Augen ungläubig an. Sie konnte nicht fassen, dass Jesus jetzt wirklich tot war. Konnte diese unsinnige Grausamkeit nicht einordnen. Da ich gegen Spoiler Alerts bin, erzählte ich noch nichts vom Happy End. Ich wollte den Spannungsbogen durchziehen.
Stattdessen versuchte ich ihre Verunsicherung aufzufangen. Wir sprachen darüber, dass es böse Menschen auf der Welt gibt, die gemeine Dinge tun. Und dass manchmal ungerechte Dinge passieren.
Nach einem gemeinsamen Gebet schlief meine Tochter ein.
Mitten in der Nacht stand sie dann aber plötzlich schluchzend an meinem Bett. Sie könne nicht schlafen, weil sie traurig sei. Unter Tränen erklärte sie mir, sie fände es so ungerecht, dass Jesus gestorben ist. Er habe doch nichts falsch gemacht.
Der Tod von Jesus ging ihr so richtig nahe. Schüttelte sie durch.
Und ich? Ich schämte mich so richtig.
Als meine Tochter so erschüttert an meinem Bett stand, übermannten mich die Gefühle.
Ich schämte mich. Dafür, dass ich mein Kind alleine liess mit seinen Emotionen. Dass ich sie diesen Gefühlen überhaupt ausgesetzt habe. Dass ich ihr nicht erzählt habe, dass Jesus wieder auferstehen wird. Dass genau das die frohe Osterbotschaft ist. Ja, dass dies der Grund ist, weshalb wir heute als Christen überhaupt Hoffnung haben. Dass Jesus stärker ist als der Tod.
Mir wurde schlagartig bewusst, wie emotionslos und selbstverständlich ich diese Zeilen in der Bibel jeweils lese. Der Tod von Jesus vermag schon lange nicht mehr in die Tiefen von meinem Herzen durchzudringen.
Es berührt mich nicht, dass da vor 2000 Jahren jemand unschuldig sterben musste. Es ist zu weit weg und zu lange her. Und ich weiss ja bereits, wie die Geschichte ausgeht. Dass sein Tod erst der Anfang war von einer hoffnungsvollen Geschichte mit uns Menschen. Und nicht das Ende. Dass es so geschehen musste. Dass der Tod nicht das letzte Wort hat.
Es ist zwar schön, dass ich im Bewusstsein dieser Hoffnung lebe. Dass ich grundsätzlich ein Mensch bin, der versucht nach vorne zu schauen.
Gleichzeitig erschrak ich ab mir selber. Darüber, dass mich diese Geschichte so kalt lässt. Dass ich völlig emotionslos darüber hinweglese. Seinen Tod als selbstverständlich hinnehme. Als etwas, was halt so war. Geschichte.
In dieser Nacht ist die Bedeutung von Ostern neu in mein Herz gesickert.
Und auch wenn ich die Situation als Mama definitiv besser hätte lösen können: Meine kleine Tochter hat mir in diesem Moment gerade sehr viel aufgezeigt.
Schlagartig wurde mir bewusst, an was wir an Ostern gedenken. Es berührte mich auf einer Ebene, wie es das schon seit Jahren nicht mehr getan hat.
Seither denke ich in der Woche vor Ostern immer wieder an die Tränen meiner Tochter von damals, an meinem Bett. Der Tod von Jesus lässt mich nicht mehr kalt. Ich nehme mir in diesen Tagen jeweils bewusst einen Moment für mich raus. Um danke zu sagen. Um mir bewusst zu werden, was für ein riesiges Opfer das war. Eines, das ich nie ganz einordnen werden kann.
Ich versuche mich dabei in die Jünger hineinzuversetzen, die das Happy End noch nicht kannten. Die Trauerten und keine Hoffnung mehr hatten. Und trotzdem zusammenblieben. Sich an dem festhielten was noch übrig war. Im Vertrauen darauf, dass Gott einen Plan hat.
Ostern darf uns berühren. Uns aufwühlen.
Und dann aber doch im Ostersonntag enden. Wo Gott seine Grösse und seine Liebe demonstriert. Über Jesus. Und über uns.
»Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.» (Jesus in Johannes 11,25)