Was beinhaltet für dich das Wort «Freundlichkeit»?
Mir kommen spontan Adjektive wie liebevoll, gütig, fürsorglich, ermutigend, grosszügig, interessiert und verständnisvoll in den Sinn. Eine freundliche Person hat für mich einen wohlwollenden, warmen Blick.
Einmal im Monat fahre ich mit dem Auto in ein Shoppingcenter, 15 Minuten von meinem Wohnort entfernt, um dort meinen Grosseinkauf zu erledigen. Ich habe mir angewöhnt, auf der Fahrt eine Playlist von Spotify zu starten und mich mit Liedern überraschen zu lassen. Nicht selten entdecke ich so neue Songs, die mich noch etwas länger begleiten.
So geschehen vor ein paar Wochen, als ein Lied von Andrew Peterson erklang. Andrew Peterson ist ein US-amerikanischer Sänger. Er hat seiner Tochter ein Lied gewidmet mit dem Titel «be kind to yourself»: Sei freundlich dir selbst gegenüber.
Der Text stach mir mitten ins Herz
Er erwischte mich auf einer emotionalen Ebene. Der Gedanke, dass ein Vater seiner Tochter ein solches Lied schreibt und zu singt berührte mich zutiefst. Ich habe selber drei Töchter. Und es beelendet mich, wenn ich jetzt schon zusehen muss, wie kritisch sie sich manchmal im Spiegel betrachten. Oder wie wenig sie sich teils zutrauen. Ängste haben. Unsicher sind.
Wenn ich ehrlich bin, haben sie da in mir leider auch nicht immer das grösste Vorbild vor Augen. Im Gegensatz zu meinem Mann stehe ich selten vor dem Spiegel und finde mich vorbehaltlos schön. Und oft brauche ich Bestätigung von meinem Umfeld, um Neues zu wagen. Meine Töchter sehen mich nicht oft hinstehen und sagen: «das kann ich gut!». Schnell lasse ich mich verunsichern. Kritik an mir selbst fällt mir um einiges einfacher als Lob.
Aus meiner Arbeit mit Frauen und Jugendlichen weiss ich, dass ich damit nicht alleine bin. Die ganze Social Media Kultur tut uns hier auch nicht gerade einen Gefallen. Stärker denn je ist man fremden Leben ausgesetzt, die gegen aussen erstrebenswert und perfekt wirken.
Be kind to yourself
Sei freundlich dir selbst gegenüber.
Nein, oft bin ich das nicht. All die Eigenschaften, die ich eingangs erwähnt habe, wende ich zwar Fremden und Freunden gegenüber (hoffentlich) an, aber nicht unbedingt, wenn es um mich selber geht. Viel zu kritisch betrachte ich mein Verhalten. Mein Aussehen. Meinen Charakter.
Einer der bekanntesten Verse in der Bibel ist das Gebot der Nächstenliebe. In verschiedenen Kontexten kommt es in der Bibel immer wieder vor:
«Du sollst deine Mitmenschen lieben wie dich selbst!»
(z.B. Lukas 10,27)
Oft wird bei diesem Vers die Liebe zu unseren Mitmenschen betont. Wenn man den Vers aber genauer betrachtet, merkt man, dass er voraussetzt, sich selber zu «lieben». Sich selber wohlgesinnt zu sein. Nur so kann man auch vorbehaltslos Liebe weiter verschenken.
Andrew Peterson fragt in seinem Lied:
«Wie endet es, wenn der Krieg, den du führst, nur gegen dich selber ist? Du musst lernen, deine Feinde zu lieben.»
Wow. Das sitzt irgendwie tief, oder? Wie oft geht es mir so, dass der Feind, gegen den ich ankämpfe, tatsächlich meine eigenen Gedanken sind? Dass ich mir selber im Weg stehe. Dass ich mich selber bekämpfe in einem Kampf, indem es schlussendlich keinen Gewinner geben kann.
Das Kriegsbeil begraben
Für mich persönlich hat dieses «mich selber gerne haben» viel mit Versöhnung zu tun. Versöhnung mit den Seiten an mir, die ich nicht mag. Versöhnung mit meinem Körper. Mit Charakterzügen, die herausfordernd sind. Für mich und andere. Mit Umständen, die ich nicht ändern kann. Das heisst natürlich nicht, dass ich mich nicht mehr verändern möchte und resigniere. Aber es bedeutet, dass ich die Ausgangslage annehme.
Nicht aus Überlegenheit. Auch nicht aus Selbstzentriertheit. Sondern aus Selbstmitgefühl. Oder wie L’Oréal es formulieren würde: «Weil ich es mir wert bin». Liebevoll, gütig, fürsorglich, ermutigend, grosszügig, interessiert und verständnisvoll.
Weil ich weiss, dass ich, wenn ich versöhnt bin mit mir selber, dies auch weitergeben kann. An meine Kinder. An mein Umfeld. Und an mein Herz.
Deshalb meine freundliche Erinnerung an dich heute:
Sei freundlich dir selbst gegenüber.
Eine Antwort
Mega schön, danke dafür!