Alles ist gut!

alles ist gut

Standardsituation im Hause Oesch: Mein Mann kommt am Mittag von der Arbeit nach Hause und fragt: „Wie war dein Morgen?“ Meine Antwort: „gut“. Ich komme vom Joggen mit einer Freundin zurück und er fragt: „Wie war es?“ Ich: „gut!“. Für mich ist die Frage damit ausreichen beantwortet und ich kann zur Gegenfrage übergehen. Aber mein Mann ist damit ganz und gar nicht einverstanden. Er schaut mich mit erwartungsvollen Augen an: „WAS war gut?“ oder „Umschreibe gut“ will er von mir wissen.

Alles ist gut

Ich bin überfordert. In meiner Herkunftsfamilie hat „gut“ als Antwort völlig ausgereicht. Thema abgehackt, ich wurde in Ruhe gelassen. Bei meinem Mann reicht es nicht. Er möchte, dass ich „gut“ ausformuliere. Tiefer grabe. Es nicht bei „alles ist gut“ belasse. Sondern erzähle. Ihm Anteil gebe. Das „gut“ ausfülle.

Krass, dass mich eine so einfache Frage auch mit 40 Jahren noch regelmässig überfordern kann. Es ist ja nicht so, dass ich nicht erzählen möchte. Sondern es ist tatsächlich eine gewisse Sprach-Unfähigkeit vorhanden.

Den Wert erkennen

Mein Mann fordert mich heraus, mich selbst besser kennen zu lernen. MICH nicht mit einem „gut“ zufrieden zu geben. Tiefer zu graben. Genauer in mich hineinzuschauen. In Erlebnisse. Begegnungen. In Momente. In Empfindungen und Gefühle.

Manchmal nervt es mich. Kann nicht etwas einfach „gut“ sein und gut ist?

Ich habe lange gebraucht, um den Wert darin zu sehen, dass mein Mann mehr wissen möchte, als nur „gut“. Es hat gedauert, dass es nicht nur darum geht, dass er alles wissen möchte, sondern dass es mir dient, wenn ich fähig bin, meine Gefühle besser beschreiben zu können. Wenn ich mehr Worte für mein Innenleben finde, als nur „gut“.

Und ich musste tatsächlich zuerst lernen (und bin immer noch dran), genauer in mich hineinzuhören. Meinen Gefühlswortschatz zu erweitern. Wegzukommen von: alles ist gut.

Empfindungen und Bedürfnisse

Wenn mir das gelingt, dann bin ich die wahre Gewinnerin. Denn wenn ich Gefühle kenne und sie benennen kann, dann lerne ich automatisch, besser und klar zu kommunizieren. Ja, es hilft mir, mit meinem Gegenüber in Beziehung zu treten. Tiefgründiger zu werden. Daraus resultiert schlussendlich auch, dass ich meine Bedürfnisse kennen lernen und benennen kann.

Dann bin ich nicht einfach „gut“ oder „schlecht“ drauf, sondern kann anderen erklären, was mich bewegt, was in mir abgeht und was ich benötige.

Das Bedürfnis von meinem Mann ist es also, dass ich ihm Anteil gebe an meinem Erlebten. Wenn er immer nur auf „gut“ stösst, dann hat er kein greifbares Gegenüber. Es fehlt die Tiefe. Ich bin für ihn nicht fassbar. Und ehrlich gesagt auch nicht so interessant.

Wenn ich persönlich in meinen Gedanken nicht über „gut“ hinauskomme, dann kenne auch ich mich schlussendlich nur oberflächlich. Dabei wäre so viel mehr an Beziehung möglich. Auch zu mir selbst.

Tatsächlich ist es für mich immer wieder herausfordernd, herauszufinden, wie es mir denn tatsächlich geht. Denn „gut“ kann auch ein Schutz sein, nicht genauer hinschauen zu müssen.

Eine simple Frage

Vielleicht kennst du das auch, dass es dir schwerfällt, deine Gefühle zu benennen. Gerade, wenn wir mit unserem Alltag mit Kindern und/oder Arbeit voll absorbiert sind und oft einfach funktionieren müssen, liegt es auf der Prioritätenliste nicht gerade weit oben, sich auch noch mit eigenen Empfindungen auseinander setzen zu müssen. Gerade in der Kleinkindphase war es für mich öfters eine Herausforderung, meine Bedürfnisse überhaupt annähernd benennen zu können, geschweige denn überhaupt wahrzunehmen. Ich spürte zwar Überforderung und eine Unzufriedenheit in mir, konnte sie aber nicht genau orten.

Eine einfache Frage, um meinen Gefühlen und somit dann auch meinen Bedürfnissen auf die Spur zu kommen, lautet ganz simpel:

„Was hat etwas „gut“ gemacht?“

„Was hat etwas „määä“ (=schlecht) gemacht?“

Diese simplen Fragen zwingen mich, tiefer zu überlegen, welche Faktoren bei mir zu „gut“ oder „määä“ beitragen.

Es gibt mir beschreibendere Worte für mein „gut“ und mein „määä“ und macht mich somit hoffentlich auch fassbarer und nahbarer für mein Gegenüber. Besonders für meine Familie. Und mir selbst. Wenn das gelingt, dann kann ich sagen: „es ist gut!“ 🙂

 

 

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