Mit Gottes Liebe durch den Herbstnebel

Nebel im Herzen

Der zähe Herbstnebel hängt schwer und trüb in der Luft, so dass mir der Blick zu unserem Hausberg, dem Pilatus, verwehrt bleibt. Ich hoffe innerlich, dass sich diese träge Suppe bis zum Mittag lichtet. Denn die Aussicht von unserem Fenster, mit diesem riesigen Koloss vor Augen, die wird nie alt. Davon zerre ich. Von diesem majestätischen Berg, der schon so viel gesehen und erlebt hat – und trotzdem felsenfest steht. Allem Zeitgeist zum Trotz. Er trägt und erträgt.

Wärme im Herzen

Meinem Herzen fällt es schwer, sich auf den Herbst einzulassen. Zu wissen, dass dieser trübe Ausblick fortan zum Begleiter durch die kalte Jahreszeit wird. So flüchte ich mich ins Gestalten von Fotoalben, die mich zumindest gedanklich zurück in die Wärme katapultieren. Eine Wärme, die Leichtigkeit in mein Herz bringt.

Meine Seele nährt sich bis heute davon. Gleichzeitig gab es auch im Inselparadies Momente, in denen mich der Alltag einholte. Wir stritten und enttäuschten uns. Mehrmals. Man nimmt sich selbst eben immer mit. So holte mich fernab von zuhause vielleicht nicht der Alltag ein, sondern ich mich selbst.

Ist das nicht ein Bild für’s Leben?

Ich nehme mich mit.

Egal wo ich bin.

In Beziehungen.

In meine Familie.

In meine Arbeitsstelle.

In meine Beziehung zu Gott.

Im Sommer und im Winter. In den Ferien und im Alltag.

Ich kann nicht vor mir flüchten. Und das ist gut so. Ich darf meine guten Seiten einbringen und damit hoffentlich das Leben anderer bereichern. Gleichzeitig sind da stets auch Seiten von mir, mit denen ich hadere. Die ich mir anders wünschen würde an mir. Auch das hat Platz.

Ich nehme mich mit.

Dadurch werden Dinge möglich. In meinem Leben und im Leben von anderen.

Aber es bleiben mir auch Dinge verwehrt.

Weil ich die Voraussetzungen dafür nicht mitbringe. Weil das Leben anders spielt. Oder, weil Türen verschlossen bleiben.

Ich kann nicht alles gesehen und erlebt haben. Es ist nicht jeder Tag ein Highlight. Ja, es ist nicht mal jede Lebensphase ein Highlight.

Denn ich nehme mich mit. Und das ist gut so.

Wen nehme ich mit?

Vielleicht lohnt es sich deshalb mehr, mich damit auseinanderzusetzen, WEN genau ich mitnehme in dieses vielfältige Leben, das aus verschiedenen Phasen und Jahreszeiten besteht? In einigen fühle ich mich pudelwohl und blühe auf, wie die Bergwiesen am Pilatus es im Frühling tun. Sie sind voller Leben. Andere kosten mich etwas und zerren an meinem Gemüt. Sind steinig und grau.

Je nachdem, von welchem Blickwinkel man hinschaut, sieht man andere Dinge. Wie der Berg kann ich eckig und kantig aussehen. Von einer anderen Seite betrachtet sanft und gechillt. Ich habe verschiedene Seiten. Sie alle gehören zu mir. Das ist nicht widersprüchlich, sondern ergänzend.

Ich will mich anfreunden mit mir. Mit meinen Sonnenseiten. Sie dankbar annehmen. Sie feiern und sie einsetzen.

Aber auch mit dem Nebel in mir, der mir zeitweise die Sicht versperrt und die Navigation zu meinem Herzen nicht nur für mich, sondern auch für andere schwierig macht.

Mit den Seiten, die mir manchmal das Leben betrüben, aber ihm gleichzeitig eine Tiefe und Kontur verleihen. Ich will sie gestalten und integrieren. Gleichzeitig möchte ich nie aufhören zu kämpfen und zu ringen.

Mich in Frage stellen und Ausrufezeichen setzen.

Hat das nicht etwas unglaublich Schönes und Befreiendes? Stell dir vor, was noch alles möglich werden kann!?

Ich möchte von Herzen sagen können: ich bin gerne mit mir zusammen. Ich mag mich.

Ich mag mich

Für mich persönlich ist das auch eine Antwort an den, von dem ich glaube, dass er mich geschaffen hat.

Ich mag mich, weil da jemand ist, der mich zuerst gemocht hat. Gott spricht sogar nicht nur von «mögen» sondern von «lieben». Wow:

«Der tiefste Grund für unsere Zuversicht liegt in Gottes Liebe zu uns: Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.» (1. Johannes 4,19)

Ich darf zuversichtlich sein. Auch mir selbst gegenüber. Denn er liebt mich. Ja, er jubelt sogar, wenn er an mich denkt.

«Der Herr, dein starker Gott, der Retter, ist bei dir. Begeistert freut er sich an dir. Vor Liebe ist er sprachlos ergriffen und jauchzt doch mit lauten Jubelrufen über dich.» (Zefanja 3,17)

Ich will mitjubeln. Mich freuen. An mir. An Gott. An anderen Menschen. An dem, was ist und noch werden darf.

Mein Blick schweift wieder aus dem Fenster.

Der Nebel hängt immer noch zäh. Es wird sich heute nicht mehr lichten.

Aber das ist ok.

Ich liebe. Ich juble innerlich. Ich bin.

 

 

 

Übrigens: im Mai 2025 führe ich ein Seminar in Rasa/TI durch, in Zusammenarbeit mit der VBG und dem BLB zum Thema „Unvollkommen, vollkommen“, wo es genau um dieses Thema geht. Vielleicht wäre das was für dich? Infos gibt es: HIER

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