Dieser Text bezieht sich auf die Bibelstelle:
Lukas 10, 29-37
Ganz ehrlich? Wenn solch bekannte Stellen in der Bibellese dran sind, bin ich oft versucht sie einfach zu überfliegen und mit einem innerlichen «alles schon gehört» abzutun.
Meine Meinung ist bereits gesetzt: ich ereifere mich über all die religiösen Führer von damals und heute, die dann im echten Leben doch zu beschäftigt sind, um einer Person in Not spontan zu helfen. Und ich weiche auch ein bisschen aus, damit ich nicht zu fest darüber nachdenken muss, wem ich aus dem Weg gehe, weil es gerade unangenehm ist zu helfen…
Aber möchte uns Jesus in diesem Text wirklich «nur» sagen, wie wichtig es ist, unseren Nächsten Gutes zu tun? Dort zu helfen wo wir Not sehen? Nicht wegzuschauen?
Wer liegt am Boden?
Ich möchte sogar noch weiter fragen: Können wir überhaupt den Platz vom guten Samariter einnehmen?
Oder sind wir vielleicht nicht eher selber die Person, die halb tot am Strassenrand liegen gelassen wird? Gezeichnet von dem, was das Leben mit uns gemacht hat. Gar nicht fähig, uns selber zu retten. Auch nicht mit guten Taten…
Wir brauchen Jesus. Ihn, der wirklich und kompromisslos barmherzig ist. Der echtes Mitleid empfindet, unsere Wunden verbindet und uns wieder aufrichtet. Uns nährt, stützt und uns in das Haus von seinem Vater bringt, wo wir umsorgt werden.
Wenn ich den Text so lese und verstehe, dann berührt er mich plötzlich nochmals neu.
Aber es kostet mich etwas. Denn zumindest bei mir merke ich, dass es oft einfacher ist, anderen zu helfen, als mir selber einzugestehen, dass auch ich Hilfe benötigen würde…
Und ich glaube, gerade weil wir zuerst gesegnet wurden, können wir dann auch für andere ein Segen sein. Nicht umgekehrt. Sonst bleibt das mit der Nächstenliebe ein „Chrampf“.
Mein Gebet ist es, dass ich mich selber immer wieder diesem Jesus hingebe. Ihm vertraue. Mich von ihm tragen und heilen lasse. In meinem Dreck. In meinem Elend, wo mich sonst niemand sieht. Dort, wo ich vielleicht ganz alleine bin.
Und weil er mich zuerst geliebt hat, bin ich dann fähig andere zu lieben.
„Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“
1. Johannes 4,19
Dieser Text erschien in einer gekürzten Fassung im Bibellesemagazin «Atempause», Ausgabe 3/21.