Die Fastenzeit naht.
Die Zeit, bei der mein Instagram Feed voll ist von Menschen, die verkünden, wie und auf was sie fasten. «Daniel Fasten» scheint hip, kein Zucker, Suppen, Biotta Säfte zum Entschlacken – you name it. Und es scheint gut zu tun.
Und ich sitze da – und faste nicht. Jedenfalls nicht Essen. Und ich fühle mich nicht sonderlich gut dabei. Das ist ein Level an Christ-Sein, dass ich offensichtlich noch nicht erreicht habe.
Klar könnte ich auch fasten. Es liegt nicht daran, dass ich nicht «kann». Und doch: ich kann nicht.
Versteht mich nicht falsch: ich sehe total den Wert der Fastenzeit. Ich bewundere Menschen die fasten. Ich empfinde sie selbst als Zeit, in der man bewusster lebt. Dinge, die uns ablenken, in Frage stellt. Als Zeit, in der man versucht, gute Gewohnheiten zu etablieren. Diese gesetzten 40 Tage vor Ostern sind mir eine Hilfe dabei, bewusste Entscheidungen zu treffen und zu leben.
Aber es bleibt ein leises, schleichendes Gefühl, dass ich das Fasten nicht so auf die Reihe kriege, wie man das sollte. Irgendetwas in mir wird getriggert. Ich wünschte mir wohl eine transparentere Auseinandersetzung mit dem «warum» und „wie“.
Fasten als geistlicher Name für eine Diät
Und gehe gleich als schlechtes Beispiel voran:
Ich verzichte seit Jahren in den 40 Tagen vor Ostern auf Süsses und Alkohol (also jedenfalls dann, wenn ich mir nicht gerade eine Ausnahme gönne ;-)).
Aber: das hat wenig bis gar nichts mit Gott zu tun. Sondern mit der näher rückenden Bikini-Saison.
Diesen Verzicht «Fasten» zu nennen, scheint mir heuchlerisch. Denn, seien wir ehrlich: es geht hierbei eher um das loswerden der Weihnachtsguezli die sich treu um meine Hüfte schmiegen als um das einswerden mit Gott.
Ich möchte da nicht ein christliches «Deckmänteli» zulegen und dem, was eher einer Diät ähnelt «Fasten» sagen, nur damit ich gegen aussen als gute Christin wahrgenommen werde.
Und: ich werde schon unerträglich, wenn ich etwas länger auf eine Mahlzeit warten muss… In der Psychologie ist der Zusammenhang zwischen hungrig und wütend im Begriff «hangry» (von «hungry» und «angry») zusammengefasst.
Ist dieser Zustand tatsächlich der Weg, der mich in eine tiefere Beziehung zu Jesus führen soll? Ihr dürft gerne mal bei meiner Familie nachfragen, wie ich dann drauf bin. Jedenfalls nicht mehr ganz so Jesus-like.
Dazu kommt, dass ich als Jugendliche unter einer Essstörung litt. Ich stehe in einer konstanten Spannung, in der ich mich vor mir selbst schützen – und gleichzeitig alles für Gott geben will. Und in dieser Spannung stehe ich, da bin ich überzeugt, nicht allein.
Und das führt mich in eine ehrliche und ungeschönte Auseinandersetzung mit der Erwartung vom Fasten.
Lasst uns darüber sprechen
Ich habe lange damit gehadert, ob ich überhaupt etwas schreiben soll. Weil irgendwie kann ich nicht mitreden, da ich noch nie gefastet habe. Und wenn ich mitrede, dann stehe ich nicht sonderlich gut da.
Und doch lässt mich der Eindruck nicht los, dass es gut ist, wenn wir darüber sprechen.
Ich wünschte mir, dass gerade wir Frauen uns ehrlich austauschen, was (Essen) Fasten bei uns auslöst und weshalb wir es überhaupt tun. Welche Motivation steht dahinter? Setzen wir uns damit tatsächlich frei, oder nicht eher oftmals unter Druck?
Woher kommt mein latent schlechtes Gewissen, dass ich eben nicht mit reinem Gewissen fasten kann?
Kommt die Annahme, dass ein guter Christ Essen fastet von meinem christlich sozialisierten Umfeld, oder gründet sie auf der Bibel?
Ich mache mich auf die Suche.
Ist Fasten etwas, was Gott von mir möchte?
So schreibe ich verzweifelt meinem lieben Freund Tobias Siegenthaler, der in inoffiziellem Nebenjob als unser Haustheologe fungiert. Ein schlauer und weiser Kopf. Ich kenne niemanden sonst, der Zusammenhänge in der Bibel so gut kennt und sieht wie er.
Er entlastet mich schonmal, indem er mich darauf hinweist, dass es im Neuen Testament keine Stelle gibt, in der wir Christen zum Fasten aufgefordert werden (!).
Phu. Bin ich aus dem Schneider?
Naja. Es gibt selbstverständlich Stellen, in denen Christen fasteten. Fasten ist jedoch immer in einem Satz mit beten erwähnt. Wenn sie zum Beispiel vor schwierigen Entscheidungen standen. Es geht also nicht um den Verzicht auf Essen an sich, sondern um den ungeteilten Fokus auf Gott.
So glaube ich durchaus, dass es Zeiten gibt, in denen Fasten Sinn machen kann, um sich bewusst Zeit zu nehmen und den Kopf frei zu kriegen.
ABER – und das ist mein springender Punkt: Fasten ist so viel mehr als ein Verzicht auf Essen. Und es geht dabei nicht darum, um vor Gott besser dazustehen oder mehr Heiligkeitspunkte zu sammeln.
Fasten ist weder etwas, was Gott von uns fordert, noch etwas, was uns heiliger werden lässt. Es ist keine Kraftübung, die uns mehr Zugang zu Gott verschafft oder uns reiner macht vor ihm. (Gott hat durch Jesus bereits alles für mich getan. Dem kann ich nichts hinzufügen. Nichts. Gott lebt durch den Heiligen Geist in mir und er tut das nicht mehr oder weniger, egal was für Leistungen ich erbringe.)
Fasten geht so viel tiefer.
Fasten ist so viel mehr
Bereits im Alten Testament (z.B. Jesaja 58) stellt Gott klar, dass es beim Fasten um unser Innerstes geht. Oder wie John Crowder so schön sagt:
“Wahres Fasten hat nichts mit McDonalds zu tun, sondern mit dem, was dein Herz bewegt.»
Fasten ist etwas, was nach innen gerichtet sein soll. Nicht nach aussen. Es ist etwas Persönliches und Intimes. Eine Herzensangelegenheit.
Und: ich faste nicht für mich und mein Ego, sondern es soll Auswirkungen haben.
Nicht auf meine Waage, sondern auf die Gesellschaft:
Fasten, wie ich es liebe, sieht doch vielmehr so aus: Lasst die zu Unrecht Gefangenen frei und gebt die los, die ihr unterjocht habt. Lasst die Unterdrückten frei. Zerbrecht jedes Joch. (Jesaja 58,6)
Fasten soll, wie ich es verstehe, den Fokus von mir wegnehmen. Damit ich mich eben gerade nicht um mich selbst drehe. Sondern an einen Ort zu komme, wo mein Herz danach fragt, was Gottes Herz bewegt. Damit ich daraus handeln kann.
Und wenn es dann so ist, dass ich zwar auf Essen verzichte und Faste, und dabei jedoch an meinem Gewicht und Körper rumstudiere, ist es unter Umständen das Fasten selbst, das mich hindert in Beziehung mit Gott zu treten.
Vielleicht ist das Nicht-Fasten in diesem Fall mehr ein Fasten als der tatsächliche Verzicht auf Essen.
Mein Fasten
So lauten die Fragen, die ich mir jetzt vor der Fastenzeit stellen möchte, vielmehr:
- Was in meinem Herzen trennt mich von Gott?
- Wo gibt es Dinge, die meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen und mir damit im Weg stehen, um Gemeinschaft mit Gott zu leben?
- Wie kann ich in meinem Leben bewussten Gewohnheiten nachgehen, um den Blick ungetrennt auf Gott zu richten?
- Wo und wie komme ich innerlich zur Ruhe?
- Welche Handlungen sollen aus meiner Zeit mit Gott resultieren?
- Wo kann ich einen Unterschied machen?
Wenn es dabei hilft, nicht zu essen: go for it.
Mir persönlich hilft es, meine elektronischen Geräte abzustellen. Einen Spaziergang zu machen. Die Bibel zur Hand zu nehmen. Zeiten zu definieren, wo ich mich bewusst aus dem Alltag rausnehme.
So finde ich innere Ruhe. Und bin ok damit, wenn ich auch in diesem Jahr nicht (Essen) faste.
Gott kennt mein Herz. Für ihn muss ich kein geistliches Programm abziehen.
Und vielleicht ist in meinem Fall genau das das wertvollere Fasten.
Wie geht es euch damit? Ich würde mich riesig fest über Austausch und andere Meinungen, Anregungen und Erfahrungen freuen.
2 Antworten
Danke für diese authentische Auseinandersetzung mit dem Fasten. Du sprichst mir aus dem Herzen… Danke, dass du dich an dieses Thema getraut hast!
Sula
Danke dir für diese liebe Rückmeldung!