Licht in mein Innerstes
Mit Anfang 20 war ich mir sicher: «Jetzt weiss ich, wer ich bin! Meine Vergangenheit habe ich angeschaut, biografische Verletzungen aufgearbeitet und mich weitgehend damit versöhnt. Nun bin ich mitten im Leben angekommen…»
Ich bin unendlich dankbar, dass ich mich bereits früh mit gewissen Themen in meinem Leben auseinander gesetzt habe. Durfte ich hinschauen und den Kurs teils neu setzen. Konnte ich bestimmte Dinge aufarbeiten und loslassen.
Und doch gibt es sie: Lebensthemen, die immer mal wieder, oftmals in ganz anderem Kontext, um die Ecke schiessen. Die mir klarmachen, dass „hinschauen“ kein einmaliger Event ist…
Denn auch heute fühle ich mich manchmal noch wie ‚klein Janine‘: Ich stelle mich in Frage, traue mir Dinge nicht zu, bin unsicher und nehme Gott nicht ganz ab, dass er auch mich wunderbar gemacht hat.
Stimmt etwas nicht mit mir? Glaube ich zu wenig? Oder stosse ich in meinen Selbstoptimierungsversuchen einfach an Grenzen? Gehört es vielleicht einfach zum Leben dazu, dass Prozesse nie ganz abgeschlossen werden?
Ringen erlaubt
Gerade wir Christinnen und Christen scheinen ein hohes Ideal zu haben. Schliesslich glauben wir daran, dass Jesus uns frei macht, oder? (z.B. Johannes 8,36). Darf man da überhaupt noch mit Themen ringen?
Ich glaube, dass Gott uns tatsächlich in eine Spannung setzt.
Denn auch die Bibel ist voll mit Menschen, die bis zu ihrem letzten Atemzug mit Lebensthemen gerungen haben. Einer von ihnen ist David. Mitten in seinem inneren und äusseren Chaos hält er jedoch zusammenfassend fest:
«HERR, du bist mein Licht, du, HERR, hast meine Finsternis erhellt.» (2. Samuel 22, 29)
Das, was Davids Leben im Moment der Dunkelheit leichter gemacht hat, war Gott, der seine persönliche Finsternis mit Licht erhellt hat. Und damit Ordnung in sein innerstes Chaos gebracht hat.
David hatte ein bewegtes und spannungsvolles Leben, das keineswegs gradlinig verlief. Er durchlebte Höhen und Tiefen. Immer wieder. Er wurde bejubelt und aber auch verfolgt. Er traf in seinem Leben weise und weniger weise Entscheidungen. Und er machte dabei offensichtlich die Erfahrung, dass Gott sein Chaos nicht ignoriert, sondern es liebevoll ausleuchtet. Mit einem Licht, das seine Finsternis erhellt.
Jesus sagt später von sich:
»ICH bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, braucht nicht im Dunkeln umherzuirren, denn er wird das Licht haben, das zum Leben führt.» (Johannes 8, 12)
Sein Licht erhellt nicht nur Finsternis, sondern möchte uns schlussendlich zum Leben führen. Freisetzen.
Dabei geht es nicht darum, uns zu entblössen, oder Scham auszulösen. Sondern Ordnung ins Chaos zu bringen. Dem WARUM unserer Gefühle auf die Spur zu kommen und die Motivation unserer Handlungen zu benennen.
Dieses liebevolle ausleuchten von meinem innersten möchte ich immer wieder in Anspruch nehmen für mein Leben. Damit Licht in meine innere Dunkelheit kommt. Denn im Licht lässt sich Leben besser gestalten als in der Dunkelheit. Weil man Dinge ansehen und neu anordnen kann.
Folgende Bereiche empfinde ich als freisetzend, wenn ich mit dem Licht von Jesus, das zum Leben führt, hineinscheinen darf:
1. Licht auf meine Triggerpunkte
Ich frage Gott bewusst im Gebet: Was ist es genau, dass mich immer wieder triggert? Oder anders gesagt: Welche Situationen verunsichern mich? Was löst Selbstzweifel in mir aus? Trigger triggern oft deshalb, weil sie uns an alte Wunden erinnern.
2. Licht auf meine Coping-Strategien
Im Lauf meines Lebens habe ich nicht nur konstruktive Wege gefunden, mit schwierigen Situationen – oder eben mit solchen „Triggern“ – umzugehen. Persönlich greife ich z.B. als Schutzmechanismus gerne auf Zynismus zurück. Damit schütze ich meine eigenen Gefühle gegen aussen und vermeide Verletzlichkeit. Andere wenig hilfreiche Strategien können ein hoher Leistungsanspruch sein, Süchte, Rückzug, Beschäftigung, Social Media, Ablenkung… you name it.
3. Licht auf mein Narrativ
Ungünstige Coping-Strategien bieten oft eine kurzfristige Entlastung. Deshalb halten wir auch daran fest.
Gleichzeitig sind sie wie innere, dunkle Verstecke, in die ich mich mit meinen Gefühlen zurückziehe. Diese einsamen Orte meiner Seele sind der ideale Nährboden für Neid, Selbstmitleid und Scham. Denn in diesem Versteck, wo niemand hinschaut, beginne ich, mir selbst eine Geschichte zu erzählen: Darüber, wie ich denke, dass andere – und Gott – mich sehen. Dabei drohen Hypothesen zu meiner subjektiven Wahrheit über mich selbst zu werden. Selbstanklage und Selbstverurteilung nisten sich ein. Ich beginne, an meiner Identität zu zweifeln…
Mich ausleuchten lassen
David hat erkannt, dass Gott genau diese Bereiche ausleuchten möchte. Denn das, was ans Licht kommt, was sichtbar wird, kann richtig angeschaut und somit auch gestaltet werden. Vielleicht wird dadurch nicht jede Spannung aufgelöst. Und ich trage trotzdem Dinge weiter mit mir mit. Aber ich darf mich an Jesus wenden, der meine innere Finsternis mit seinem Licht aufhellen und mich zum Leben führen möchte, indem er mich einbettet in seine Gedanken über mich – in sein Narrativ über mein Leben.