Es war eine laue Sommernacht inmitten von einem ruhigen Quartier in South Lake Tahoe, einem lauschigen Touristenort in Kalifornien. Den gemieteten Camper durften wir über Nacht in die Hauseinfahrt von Freunden von Freunden stellen.
Die Nacht war noch jung.
Da und dort bellten Hunde, in der Ferne vernahmen wir Musik. Durch die grossen Zedern, die überall im Quartier standen, erblickten wir Sterne.
Mein Mann und ich sassen in der Einfahrt vor unserem Camper. Genossen die endlich eingekehrte Ruhe.
Wir waren erschöpft. Müde. Und genervt. Brauchten dringend einen Moment für uns, um uns zu sammeln.
Der Tag war so gar nicht so verlaufen, wie wir uns das ausgemalt hatten.
Lange hatten wir gehofft, dass diese Auszeit von 6 Wochen möglich wird. Wir wollten Feunde und Familie in den USA besuchen. Menschen, die uns wichtig sind, endlich wieder in die Arme schliessen.
So genossen wir diese Zeit in vollen Zügen. Waren dankbar, dass es geklappt hat. Tankten auf. Wurden beschenkt.
Und nun waren wir zum Abschluss unserer Auszeit auf dem Weg in die Natur. Einige Tage in der Wildnis vom Yosemite Nationalpark standen an. In diesen Ort haben wir uns vor Jahren verliebt und wir freuten uns riesig, dahin zurückzukehren.
Nun wurde aber an eben diesem Tag unsere Freude getrübt:
Als wir am Morgen mit dem gemieteten Camper losfuhren, meldete sich der Gasmelder im Inneren unseres Wohnmobils. Egal was wir unternahmen, um das Ding ruhig zu kriegen, er blieb beständig. Piepste uns während der gesamten Fahrt nervös die Ohren voll. Ausserdem funktionierten plötzlich weder Kühlschrank noch Wasserpumpe. Alles Dinge, die wir in der einsamen Natur nicht missen wollten. Ausserdem ist so ein Kohlendioxidmelder etwas, was man nicht einfach ignorieren sollte, oder?
Anstatt wie geplant (und von mir ausdrücklich gewünscht!) den Lake Tahoe zu bewandern, schlugen wir uns nun also ohne nennbares Resultat mit der Hotline des Vermieters rum. Die Kinder sassen seit Stunden brav auf ihren Sitzen und warteten. Schlussendlich gaben wir 200 USD für eine neue Batterie aus, die das Problem aber doch nicht löste. Also wieder zurück zur Hotline. Da Samstag war, vertröstete uns der gute Telefon-Mensch auf den Montag. In einer drei Fahrstunden entfernten Stadt könne dann bestimmt jemand einen Blick auf unser Gefährt werfen… Was bis dahin mit unseren Kühlprodukten und unserem nicht vorhandenen Wasser (hallo WC Spülung!) war, schien ihn nicht zu kümmern. Wir waren auf uns gestellt.
So sassen wir also da.
Und sinnierten darüber, wie es weiter gehen soll. Wird uns dieses Vorkommnis gar unsere Ferien verderben?
Denn ganz ehrlich: das Potenzial wäre durchaus vorhanden gewesen. Eltern mit Kindern wissen: Ferien in denen man 24/7 mit seinen Liebsten auf einen Haufen geworfen ist, die lassen die Nervenstränge ziemlich ausgeleiert zurück. Erholung ist ein weit hergeholter Begriff. Wenn dann dazu noch Dinge schief laufen…
Denn der kaputte Camper reihte sich mühelos in andere Ungeplantheiten unserer Reise ein.
Da hätten wir zum Beispiel die Mittelohrenentzündung unserer Tochter, die sich genau zwei Tage vor dem geplanten Schnorchelausflug meldete. Bäh.
Meinen Darm, der das fremde Essen 2 Wochen lang nicht so toll fand (Stichwort: Immodium).
Oder die Fähre, die voll besetzt war und uns 4 Stunden Wartezeit in brütender Hitze bescherte.
Ein kleiner Unfall, der dazu führte, dass meinem Mann verbal mit dem Einsatz einer Waffe gedroht wurde (hach, Amerika).
Der Camper, den wir schon schrottig und schmutzig übernommen haben.
Und der turbulente Flug, der dazu führte, dass die grosszügig bereitgestellte Kotztüte der Airline von einem Familienmitglied randvoll gefüllt wurde (die sind im Fall nicht zu gross bemessen, wenn’s dann drauf an kommt!).
Wir waren uns einig: Nein, davon lassen wir uns nicht unterkriegen.
Wir machen unser Möglichstes. Gehen weiter.
Wir kamen darauf zu sprechen, wie diese Vorkommnisse unser Erleben der Ferien prägt. Sind das jetzt «schlechte» Ferien? Wie werden wir zuhause wohl von unseren Ferien erzählen? Erwähnen wir, was uns alles widerfahren ist? Was alles nicht nach Plan lief? Denn man könnte durchaus eine Negativ-Geschichte daraus machen.
Ich realisierte, wie ich vieles schon wieder in den Hintergrund gedrängt hatte. Und mir gar nicht mehr bewusst war, dass ja tatsächlich schon einiges nicht ganz nach Plan lief.
Sind wir dabei unehrlich, wenn wir zuhause nicht diese Dinge in den Vordergrund stellen? Sondern sogar eher darüber schmunzeln? Wenn in unseren Erzählungen eher das Baden beim schönen Wasserfall und die gesichteten Elche zum Zuge kommen und nicht die Panikattake der Tochter, weil sie Angst hatte vor Bären auf dem Campingplatz?
Jeder von uns hat ein Narrativ, wie er sein Leben erzählt.
Wir könnten aus den Ferien zurück kommen und erzählen, was alles nicht gut war. Und es hätte seine Berechtigung.
Oder wir kommen zurück und erzählen all das tolle, was wir erleben durften.
Davon, dass wir uns überwunden hatten mit einem Camper, ohne Strom und Wasser in die Natur zu fahren. Uns entschlossen, aus den Zitronen, die uns angeworfen wurden, Limonade zu machen und die Einfachheit zu geniessen. Und dabei einen der schönsten Tage unserer gesamten Auszeit erleben durften.
Alles hat seine Zeit
Ich möchte Schwieriges nicht totschweigen, denn es gehört ebenso zum Leben wie das wunderschöne und unbeschwerte. Beides hat seine Zeit, beides darf, ja soll, benannt werden.
„weinen hat seine Zeit,
lachen hat seine Zeit;
klagen hat seine Zeit,
tanzen hat seine Zeit“
(Prediger 3, 4)
Aber ich möchte meine Lebensscheinwerfer nicht auf dem Negativen belassen.
Sondern mich umschauen und sagen: «ok, und jetzt?».
Anerkennen, dass es Schwieriges gibt. Aushalten.
Dann aber das Licht wegnehmen und ihm so gut es geht ein Schattenplätzchen zuweisen.
Stattdessen das Schöne zelebrieren und mitnehmen. Feiern. Leben.
Das Negativerlebte bleibt. Es gehört dazu. Es existiert neben dem Schönen. Aber es steht nicht im Zentrum. Es hat nicht die Macht, meine Gefühle auf die Dauer zu regieren.
Es ist einfach, so etwas über Ferien zu sagen. Das gehört in die Spalte der Luxus Probleme. Vier Tage ohne Strom hat noch niemandem geschadet. Ist mir klar.
Aber ich möchte diese Haltung gerne auf mein Leben übertragen. Und das beginnt eben gerade oft im scheinbar Unwichtigen. Im Kleinen.
Wie ist dein Narrativ?
Wie reagiere ich im Alltag auf Dinge, die nicht laufen wie geplant? Lasse ich zu, dass sie mir die Freude am Grossen nehmen?
Wie erzähle ich am Abend von meinem Tag? Kommt mir zuerst das in den Sinn, was nicht gut war? Oder gelingt es mir, dieses zwar anzuerkennen, aber es so in meinen Alltag zu integrieren, dass das Narrativ am Ende des Tages nicht negativ ist?
Wie reagiere ich auf Unvorhergesehenes, wenn mein Plan durcheinander gewirbelt wird?
„Überlass alle deine Sorgen dem Herrn! Er wird dich wieder aufrichten; niemals lässt er den scheitern, der treu zu ihm steht.“ (Psalm 55:23)