Warum ist Selbstreflexion wichtig? Selbstreflexion habe ich früher mit «Gspürsch-mi»-Tanten verbunden, die irgendwo im Wald ihren Namen in bunten, wehenden Kleidern um einen Baum tanzen.
Einige Jahre und Umwege später weiss ich: die beste Version von mir ist diejenige, die sich mag und dabei echt, authentisch und mit sich im Reinen ist. Und dafür braucht es – genau: Selbstreflexion.
Die Reflexion eben meiner Selbst. Der Frage danach, wer ich bin.
Damit ich ein Bewusstsein bekomme für das, was mich ausmacht und was zu mir gehört. Dem, was ich nicht sein möchte und trotzdem bin – und dem, was noch werden könnte. Damit ich künftig bewusster handeln und entscheiden kann. Fehler nicht wiederhole, mir meinen Stärken bewusst bin und sie gezielt einsetze. Gleichzeitig meine Schwächen kenne und an ihnen arbeite.
Damit ich fähig bin, Verantwortung für mein Handeln und meine Gefühle zu übernehmen.
Oder einfach ausgedrückt: damit ich Selbstbewusstsein erlange.
Aber du ahnst es schon: dieser Weg ist weder einfach, noch ist er irgendwann mal abgeschlossen. Und das, das ist tatsächlich die schlechte Nachricht. Denn Selbstreflexion tut weh. Sie ist schonungslos. Abgrundtief. Und gleichzeitig wunderschön lohnenswert.
Der Anstoss zur Selbstreflexion
Mit Anfang 20 besuchte ich einen Teambuilding Event. Dabei wurden wir in einer altersdurchmischten Gruppe aufgefordert, eine knifflige Aufgabe zu lösen. Ich wollte die Aufgabe raschmöglichst hinter mich bringen und hatte auch eine (meiner Meinung nach gute) Idee, wie wir das als Gruppe effizient schaffen können. Ich attestiere mir, schnell und vernetzt zu denken und mich klar zu artikulieren. Weniger charmant ausgedrückt: ich legte eine gewisse Dominanz an den Tag. Da ich als eine der Jüngsten der Gruppe meine Meinung formulieren konnte, war für mich sonnenklar, dass die Älteren Semester dies auch tun.
Einige meiner Ideen wurden von der Gruppe angenommen und die Aufgabe bravourös gemeistert.
Später folgte die schonungslose Auswertung in der Gruppe. Eine Frau in ihren 50igern meldete nahe an den Tränen zurück, dass sie sich von mir überfahren gefühlt hat. Sie habe sich gar nicht mehr getraut, etwas zu sagen, da ich ja schon alles im Griff hatte.
Meine erste innere Reaktion war es, zu denken, dass es nicht mein Problem ist, wenn sie mit über 50 noch nicht gelernt hat, ihre Meinung zu sagen (ja, mein 20-jähriges «Ich» war ziemlich unbarmherzig). Ich wollte mich nicht selbst reflektieren und das Problem alleine auf sie schieben. Schliesslich haben wir die Aufgabe gemeistert, oder?
Trotzdem hat mich ihre Rückmeldung verunsichert und auch verletzt. Mein Ziel war ja keineswegs, jemanden zu übergehen, sondern die Aufgabe effizient zu lösen. Ihr Feedback hat mich nicht mehr losgelassen.
Ich stehe immer wieder vor einer Entscheidung
Ich stand vor einer Entscheidung: entweder schiebe ich alles auf sie und mache weiter wie bis anhin. Fühle mich «betüpft», dass sie mich angegriffen hat. Oder aber, ich stelle mich mir selbst und schaue bei mir hin. Was war es genau, dass sie verletzt hat? Empfinden andere Menschen auch so? Und weshalb triggert es mich so sehr, dass sie das angesprochen hat? Auf was kann ich mich zukünftig achten?
Auch wenn Anteile von diesem Konflikt bei ihr liegen: ich kann keine anderen Menschen verändern. Aber ich kann bei mir hinschauen und Konsequenzen ziehen. Denn: wie fest ich mich von anderen Menschen kränken lasse, hat oft damit zu tun, wie reif und innerlich mündig ich selbst bin.
So habe ich mich überwunden und diese Frau nochmals angesprochen. Es folgte zu meinem Erstaunen ein tiefes und schönes Gespräch, aus dem ich denke, dass wir beide voneinander lernen konnten. Sie hat dabei etwas angesprochen, auf das ich mich seither versuche zu achten.
Natürlich bin ich deswegen nicht perfekt. Das werde ich auch nie sein. Und ich bin mir bewusst, dass ich auch heute leider noch Menschen mit meiner Art verletze. Auch wenn das nie mein Ziel ist, kann es vorkommen.
Aber ich bleibe dran. Mit mir. Mit Gott. Mit anderen Menschen.
Was ist Selbstreflexion?
Selbstreflexion ist also nichts anderes, als mir selbst Fragen zu stellen.
Liebevoll und klar mit mir ins Gespräch zu treten. Herauszufinden: wer bin ich? Und wer bin ich nicht? Wer möchte ich sein? Was ist mir wichtig? Was nicht?
Wo liegen Stärken? Wo muss ich aufpassen?
Als weitere Dimension hilft es, andere Menschen beizuziehen und zu fragen: Wie wirke ich? Wie werde ich wahrgenommen? Wie würdest du diese Frage über mich beantworten?
Und dann aber auch wieder mal abschalten und einfach ok sein damit, wie ich bin.
Mir hilft da die Perspektive von Gott über mir, die sich nie verändert. Er ist fan von mir: ich bin und bleibe sein Meisterwerk, genau wie diese Frau beim Teambuilding-Seminar, die so anders tickt als ich. Es gibt keinen anderen Ort, wo ich so vollständig erkannt und gleichzeitig vollständig geliebt bin, wie bei Gott. Auch wenn ich «work in progress» bin und bleibe.
Wie reflektiert man sich selbst?
Über die Jahre bin ich zur Überzeugung gelangt, dass Fragen, die ich mir selbst stelle und mit anderen Menschen und Gott wälze enorm hilfreich sind, um persönlich zu wachsen und mich weiterzuentwickeln. Damit ich das Leben in ganzer Fülle erleben kann. Komplimente freudig annehme und nach negativem Feedback nicht in Selbstmitleid und Bitterkeit versinke.
Das können schwierige Fragen sein. Oder ganz einfache.
Vielleicht möchtest du dir auch mehr Fragen stellen und mit dir, Gott und anderen Menschen ins Gespräch treten?
Zukünftig werde ich jeden Donnerstag auf Instagram, Facebook und meinem Whatsapp Channel eine Frage posten, die dich auf diesem Weg begleiten kann. Wenn du magst, bist du herzlich eingeladen, dich irgendwo auf diesen Kanälen anzuschliessen und mitzumachen: